Unsere Fragen an
Elisabeth Wieborg
aus dem Team Kommunikation bei NABU|naturgucker
ist Naturguckerin seit 2021
Wenn du ein Tier, eine Pflanze oder ein Pilz wärst – was wärst du?
Mein erster Gedanke war: Eine Schimpansin. Aber die bin ich ja eh fast. Daher entscheide ich mich für den Fuchs, der macht mir einfach Freude.
Wo würdest du als Pflanze am liebsten wachsen?
In einem wilden Naturgarten.
Welche Eigenschaften schätzt du am meisten bei Exkursionspartner*innen?
Begeisterungsfähigkeit und eine Vorliebe dafür, nicht schon vor dem Aufstehen aufzubrechen:-)
Wer sind deine Lieblingsheld*innen der Wirklichkeit?
Alle Menschen, die es in hochpolarisierten Zeiten schaffen, sich mit Vernunft für eine zukunftsfähige Gesellschaft einzusetzen und gleichzeitig nicht noch tiefere Gräben aufzureißen.
Welche natürliche Gabe möchtest du gerne besitzen?
Fliegen! Und ich hätte gern ein Talent dafür, Instrumente zu lernen.
Welches ist deine Lieblingsart oder -artengruppe? Und warum?
Da mache ich ständig Phasen durch. Grundsätzlich verliebe ich mich immer in diejenige Artengruppe, die ich gerade neu kennenlerne. Schnecken haben aber eine besondere Stellung bei mir, weil sie anfänglich meine Naturgucker-Neugier geweckt haben und weil die andere Zeitdimension, in der sie zu leben scheinen, etwas in mir anspricht.
Außerdem berühren mich Menschenaffen, weil ich mich in ihnen wiedererkenne und sie mir so deutlich vor Augen führen, dass die Trennung zwischen Mensch und Tier und Mensch und Natur ein völlig willkürliches Konstrukt ist.
Was darf auf einer Exkursion in deinem Rucksack nicht fehlen?
Wasser und Sonnencreme.
Was wäre für dich das größte Unglück?
Krieg. Verlust meiner Liebsten. Resignation gegenüber dem Artensterben und ungebremste Lebensraumzerstörung.
Was ist dein Traum vom Glück?
Frieden und ein global erblühendes Selbstverständnis, dass wir Menschen Teil der Natur sind.
Was hält bei dir Leib und Seele zusammen?
Genug Schlaf, inneres Aufräumen und alte Häute abstreifen, liebevolle Zuwendung erfahren, Kontakt zur Natur, Zen-Meditation und genug Zeit, die ich nicht zielgerichtet verbringen muss.
Wohin führte deine beste Regenexkursion?
Unter einen wunderschönen Regenbogen.
Welcher Artname bringt dich zum Lachen?
Auf die lustigsten Namen stoße ich bei den Faltern. Am absurdesten finde ich „Krebssuppe“ (Scoliopteryx libatrix). Aber richtig zum Lachen bringt mich der „Schönbär“ (Callimorpha dominula)!
Was ist dein Tipp zur Rettung der Welt?
Öfter mal in den Spiegel schauen und einen Menschenaffen darin entdecken.
Wer ist am ehesten genervt, wenn du auf Spaziergängen alle paar Meter stehenbleibst?
Ich befürchte immer, dass meine Frau genervt sein könnte, obwohl sie schon seit Jahren Geduld praktiziert und eine gute Lösung dafür hat, wenn ihr die Füße einzufrieren drohen: Sie geht einfach dieselbe Strecke immer wieder hin und zurück bis ich fertig bin.
Welche Erfahrung in der Natur hat dich bisher am glücklichsten gemacht?
Immer wieder die jeweils gegenwärtige. Ich denke oft: „Das ist das Schönste, was ich jemals gesehen habe!“ und weiß gleichzeitig, wie oft ich das schon gedacht habe. Aber für den Moment ist es einfach wahr.
Es gibt aber doch Erfahrungen, die auf Dauer herausragen. Eine davon ist die Schnegel-Hochzeit an einem Waldweg, die ich eines Abends zufällig beobachten durfte. Ich wusste vorher nicht viel darüber. Umso überwältigter war ich, als nach langer, von mir schon gespannt beobachteter Annäherung sich plötzlich diese milchig-weiße, verschlungene Doppelspirale ewig lang aus den Köpfen der beiden Tiere entfaltete und frei im Raum hängend pulsierte. In dem Moment hatte ich ernsthaft das Gefühl, ins Herz des Universums zu schauen.
Was war deine größte Herausforderung beim Naturgucken?
Manchmal wird mein Rücken zur größten Herausforderung: Er droht gerne mit Blockierungen, wenn ich zu lange in ungünstigen Positionen verharre.
Tatsächlich kann es auch eine große Herausforderung für mich sein, meine Neugierde zu bändigen und nicht näher an ein Tier heranzugehen, um es nicht zu stören. Da muss ich mich sehr disziplinieren. Oder mir beizeiten mal ein stärkeres Teleobjektiv anschaffen.
Wer oder was hat dich zum Naturgucken angestiftet?
Ich bin in einer tierinteressierten Familie aufgewachsen. Aber den Ausschlag für mein eigenes Naturgucken haben letztlich Weinbergschnecken gegeben, über die ich mit Anfang 20 erstaunlich wenig wusste. Allerdings gab es dort, wo ich aufgewachsen bin, auch kaum Schnecken: Landwirtschaft auf ehemaligen Moorböden ohne Kalkgehalt.
In Göttingen, wohin ich zum Studieren gezogen bin, war die Schneckensituation ganz anders. Als ich dann das erste Mal zufällig Weinbergschnecken bei der Paarung gesehen habe, war ich völlig verblüfft und wusste gar nicht, wie ich das Geschehen deuten soll: Ist die Schnecke, der da etwas aus dem Kopf quillt, gefährlich verletzt??? Versucht die andere gerade, ihr zu helfen oder greift sie sie an??? Hä??? Faszination und Neugier haben mich gepackt und dem bin ich dann mit einer noch analogen Spiegelreflexkamera nachgegangen. Später habe ich Erfahrungen in der Natur und Begegnungen mit Arten oft in kleinen Texten festgehalten. Gleichgesinnte habe ich aber in dieser Phase noch nicht getroffen.
Richtig stark aufgeflammt ist das Naturgucken dann, als ich 2019 auf ein landschaftlich wunderschön gelegenes Dorf gezogen bin und vor den Wohnzimmerfenstern ein Vogelkino stattfand. Da war es Zeit für ein Teleobjektiv. Als ich dann auch noch über die Stunde der Gartenvögel die Naturgucker-Seite entdeckt habe und die Möglichkeiten, in der Gemeinschaft Reaktionen und Bestimmungshilfe zu bekommen, da wurde bei mir endgültig Begeisterung dafür entfesselt, alle möglichen Arten in meiner Umgebung zu entdecken und kennenzulernen. Gefühlt hat sich mein Artenwissen seitdem verzehnfacht und ich bemerke auch viel mehr Interaktionen und Beziehungen in der Natur.
Was ist dein Motto?
Getrenntheit ist eine Illusion. Du bist immer schon verbunden. (Buddhistische Lehre)
Elisabeth hat unsere Fragen im Juni 2025 beantwortet.