Unsere Fragen an
Ina Siebert
Leiterin Social Media bei NABU|naturgucker
ist Naturguckerin seit 2015
Wenn du ein Tier, eine Pflanze oder ein Pilz wärst – was wärst du?
Eine Alpendohle – immer beobachtend und neugierig. Oder ein Schmetterling, der rastlos von Blüte zu Blüte fliegt.
Wo würdest du als Pflanze am liebsten wachsen?
In den Alpen
Welche Eigenschaften schätzt du am meisten bei Exkursionspartner*innen?
Neugier, breites Interesse an vielen Artengruppen und Begeisterungsfähigkeit
Wer sind deine Lieblingsheld*innen der Wirklichkeit?
Menschen, die sich für Biodiversität, Klimawandel, medizinische oder gesellschaftliche Fortschritte einsetzen und wissenschaftsfeindlichen Menschen beharrlich entgegenstellen
Welche natürliche Gabe möchtest du gerne besitzen?
Ich würde gerne mal wie ein Insekt durch die Lebensräume fliegen und die Welt aus ihrer Perspektive wahrnehmen können. Was und wie sehen sie, wie verständigen sie sich untereinander und wie empfinden sie Begegnungen mit anderen Arten?
Welches ist deine Lieblingsart oder -artengruppe? Und warum?
Insekten! Weil sie so unglaublich faszinierend sind in ihrem Aussehen und in ihren Rollen im Ökosystem und weil sie viel mehr Menschen brauchen, die sich für sie interessieren, sie beobachten und studieren und die sie anderen Menschen näherbringen.
Was darf auf einer Exkursion in deinem Rucksack nicht fehlen?
Kamera! Ersatzakku und Ersatzchip, weil ich auch schon mal meine Kamera ohne das eine oder andere einpacke, weil es noch im Lade- oder Lesegerät steckt. Und Sonnenschutz.
Was wäre für dich das größte Unglück?
Ich weiß genau, dass die Artenvielfalt abnimmt und es immer weniger Insekten gibt, aber ich verdränge es immer wieder und freue mich über jeden Fund. Wenn ich aber rausgehe und trotz gründlicher Suche nur mühsam welche finde, leide ich schon jetzt. Wie das in 10 oder 20 Jahren sein soll, kann ich mir nicht vorstellen.
Was ist dein Traum vom Glück?
Dass wir das Wunder vollbringen, Biodiversitätsverlust und Klimawandel doch noch in den Griff zu bekommen. Dass mehr Menschen wieder erkennen, welchen Wert die Natur hat und dass wir sie in all ihren Facetten als unsere Lebensgrundlage schützen müssen, damit wir und auch unsere nachfolgenden Generationen gut und gesund leben können.
Was hält bei dir Leib und Seele zusammen?
Naturgucken, Naturgucken, Naturgucken! Außerdem die Bilder von meinen Exkursionen zu bearbeiten und dabei wieder in die Beobachtungssituation einzutauchen. Der Austausch mit Gleichgesinnten. Urlaube und Neues kennenlernen. Und schwimmen.
Wohin führte deine beste Regenexkursion?
In ein Waldtal, in das ich ohnehin öfters gehe. Ich war allein mit mir und meinen Gedanken und einem Feuersalamander, der mitten im Regen auf einem Stein im Bach ruhte.
Welcher Artname bringt dich zum Lachen?
Tachybaptus ruficollis*, vor allem der Gattungsname
Was ist dein Tipp zur Rettung der Welt?
Mehr Wissen und mehr Wertschätzung für die Natur. Wir sind doch alle psychologisch so eng mit der Natur verbunden; ich verstehe wirklich nicht, warum der Großteil der Menschen sich so weit von ihr entfernt hat.
Wer ist am ehesten genervt, wenn du auf Spaziergängen alle paar Meter stehenbleibst?
Mein Freund, der mich trotzdem oft tapfer und selbstlos begleitet. Und der, obwohl nicht so begeistert, doch immer wieder tolle Arten entdeckt oder auch sogar mal für mich fotografiert, wenn ich sie nicht entdecken kann.
Welche Erfahrung in der Natur hat dich bisher am glücklichsten gemacht?
Nur eine? Gibt es ein Zeichenlimit für meine Antwort? 😉
Ich empfinde immer wieder ein ganz großes Glücksgefühl in der Natur. Bei meiner ersten Bienenfresser-Beobachtung in einem Weinberg im Kaiserstuhl habe ich mehr getanzt als manche*r Sieger*in bei den zu der Zeit stattfindenden Olympischen Spielen.
An meinem 40. Geburtstag in Kanada haben wir vom Strand aus Buckelwale beobachten können. Am Tag zuvor hieß es noch, dass keine Wale im Gebiet wären. Und dann saßen wir auf einem Felsen am Strand und schauten den Walen in der Ferne zu, und es war alles so besonders: Wir, die Wale und die anderen faszinierten Menschen an diesem Strand. Auf dem Rückweg sah ich eine Schlange, und ein Weißkopfseeadler flog über uns. Mehr ging wirklich nicht mehr für einen Tag!
Und noch eine dritte, besondere Erfahrung: Das gemeinsame Beobachten mit anderen Insektenverrückten bei der Netzwerkreise Mainzer Sand. Es war unbeschreiblich schön, sich in dieser besonderen Gemeinschaft ganz auf die kleinen Krabbler zu konzentrieren, gemeinsam zu schauen, andere zu einem Fund dazuzurufen und sich einfach die ganze Zeit über Insekten und Beobachtungen auszutauschen.
Was war deine größte Herausforderung beim Naturgucken?
Wenn ich aus terminlichen Gründen gehen muss, aber mit dem Gucken noch nicht fertig bin. Wir haben einmal einen Waldspaziergang gemacht – auf dem gemütlichen Hinweg nichts zu sehen oder zu hören. Auf dem Rückweg mussten wir uns für einen Termin beeilen, und überall waren Vögel zu hören. Ich, völlig genervt, weil ich nicht stehenbleiben und nach ihnen schauen konnte (Vogelgesang kann ich leider kaum zuordnen): „Scheiße, hier tschilpt’s!“
Wer oder was hat dich zum Naturgucken angestiftet?
Mein Vater hat es als Kind mit mir versucht – Pflanzen im Feld, Vögel im Garten … Ich hatte auch ganz viele Tier- und Naturbücher, aber ich habe mir schwer getan mit der Bestimmung der heimischen Arten und fühlte mich dabei immer unwohl. Vor gut 10 Jahren habe ich mir eine digitale Spiegelreflexkamera gekauft, nachdem ich sehr viele Jahre nicht mehr fotografiert hatte. Meine ersten Motive damit waren ein Mäusebussard und ein Ameisen-Sackkäfer. Zu der Zeit hatte ein Freund mit der Naturbeobachtung und dem Melden angefangen, und in diesem Juni 2015 kam für mich alles zusammen, und ich fing auf NABU-naturgucker-beobachtungen.de an.
Was ist dein Motto?
„Willst Du wissen, was Schönheit ist, so gehe hinaus in die Natur, dort findest Du sie.“
Albrecht Dürer
Ina hat unsere Fragen im Juli 2025 beantwortet.
* Tachybaptus ruficollis ist der wissenschaftliche Name des Zwergtauchers